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Musterfeststellungsklage: Das gilt es zu wissen!

Die Einführung der Musterfeststellungsklage in Deutschland zum 01.11.2018 ist eine Neuerung im Prozessrecht: Diese Form einer Sammelklage, die in anderer Form in den USA üblich ist, wird nun auch in Deutschland Verbrauchern ermöglichen, in Auseinandersetzungen mit (Groß-)Unternehmen leichter zu ihrem Recht und zu ihrem Geld zu kommen.

Denn Verbraucher haben mit der Musterfeststellungsklage ganz neue Möglichkeiten, auch gegen vermeintlich übermächtige Gegner effektiv vorzugehen, und das ohne Kostenrisiko.

Aber was genau ist diese Musterfeststellungsklage? Wer profitiert davon und in welchen Fällen? Diese und viele andere Fragen beantworten wir Ihnen auf dieser Seite. Und sollten Fragen offen bleiben – scheuen Sie sich nicht, uns direkt zu kontaktieren!

Musterfeststellungsklage: Zweck und mögliche Gegner

Die Musterfeststellungsklage ermöglicht im Fall von sog. Massenschäden, dass nicht jeder einzelne Betroffene eine eigene Klage z.B. auf Schadensersatz erheben muss, wie es bisher beispielsweise im Dieselskandal der Fall war. Deswegen nennt man die Musterfeststellungsklage umgangssprachlich auch „Eine-für-alle-Klage“ oder man spricht von einem Musterprozess.

Info! Werden gleichgelagerte Fälle in Deutschland vor unterschiedlichen Gerichten verhandelt, kann ein quasi identischer Fall von einem Gericht in München anders bewertet werden als z. B. in Berlin. Gerichte sind bei Einzelverfahren nicht an Urteile anderer Gerichte gebunden! Diese „Ungerechtigkeit“ soll die Musterfeststellungsklage beheben, wenn es eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle gibt. Der Dieselskandal ist ein gutes Beispiel dafür.

Aber wer klagt, wenn nicht die Betroffenen / Geschädigten selbst – und gegen wen?

Die Musterfeststellungsklage erheben nicht die betroffenen Verbraucher selbst, sondern „qualifizierte Einrichtungen“. Welche Stelle eine solche Einrichtung sein kann, ist gesetzlich definiert. In der Regel werden wohl vor allem Verbraucherverbände wie z.B. Verbraucherzentralen Musterfeststellungsklagen erheben.

Info! Um sich der Musterfeststellungsklage einer solchen Einrichtung anschließen zu können, muss man nicht Mitglied in dem Verband sein, der die Klage erhebt!

Die Musterfeststellungsklage richtet sich gegen das Unternehmen bzw. gegen den Konzern, der die betroffenen Verbraucher (vermeintlich) geschädigt hat, im Abgasskandal also z. B. gegen den Fahrzeughersteller. 

Info! „Vermeintlich“ deswegen, weil es bei der Musterfeststellungsklage darum geht, festzustellen (Feststellungsklage!), ob das Unternehmen wirklich für einen bestimmten Schaden verantwortlich ist oder eben nicht. 

Wann eine Musterfeststellungsklage möglich ist

Zunächst müssen mehrere Verbraucher von einem schädigenden Verhalten eines Unternehmens betroffen sein, d. h. es muss ein Massenschaden vorliegen. Massenschaden klingt umfangreicher, als es das Gesetz vorsieht. Denn es müssen nicht Hunderte oder Tausende Verbraucher betroffen sein. 

Rein formell müssen sich mindestens zehn Verbraucher finden, die von einem Unternehmen in einem gleichgelagerten Fall rechtswidrig geschädigt worden sein könnten. Dann kann z. B. ein Verbraucherverband Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen erheben, das die Verbraucher geschädigt haben soll. Nach der Erhebung der Klage wird die Musterfeststellungsklage im Klageregister des Bundesamtes für Justiz öffentlich bekannt gemacht. Wer von dem konkreten Fall ebenfalls betroffen ist, kann sich der Musterfeststellungsklage anschließen. Schließen sich innerhalb von zwei Monaten mindestens 50 Betroffene an, findet das Verfahren statt. 

Außerdem müssen die möglicherweise vom Massenschaden Betroffenen Verbraucher sein, der Fall, in dem es möglicherweise zu Schäden gekommen ist, muss eine sog. verbraucherrechtliche Angelegenheit sein. Eine Beschränkung z. B. auf das Thema „Abgasskandal“ gibt es also nicht. 

Das hat allerdings zur Folge, dass sich Unternehmen bzw. Unternehmer einer Musterfeststellungsklage nicht anschließen können, wenn der Schaden ihren Geschäftsbetrieb betrifft. 

Beispiel: Ist der Dieseltransporter eines Unternehmers betroffen (Firmenfahrzeug), kann er sich in diesem Fall nicht einer Musterfeststellungsklage gegen den Fahrzeughersteller beteiligen. Ist hingegen sein privater PKW betroffen, sehr wohl!

Und geht es um mögliche Massenschäden im Bereich Kapitalanlage, ist die Musterfeststellungsklage auch für private Investoren nicht der richtige Weg: Für diese Fälle gibt es das Kapitalanleger-Musterverfahren. 

Musterfeststellungsklage- Ergebnis: Vergleich oder Feststellungsurteil

Ist eine Musterfeststellungsklage (formal) zulässig, gibt es zwei Möglichkeiten, wie das Verfahren enden kann: Mit einem Urteil oder mit einem Vergleich. 

Entscheidung durch Feststellungsurteil

In einem Feststellungsurteil stellt das Gericht fest, ob sich das beklagte Unternehmen gegenüber bestimmten Verbrauchern schädigend verhalten hat oder nicht und ob die Betroffenen deshalb dem Grunde nach z. B. Anspruch auf Schadensersatz gegen das Unternehmen haben. Der Tenor des Urteils lautet dann tatsächlich: „Es wird festgestellt, dass das Unternehmen XY …“ So erklärt sich auch der Begriff Musterfeststellungsklage.

Kommt das Gericht zu dem Ergebnis: „Ja, das Unternehmen hat eine Vielzahl von Verbrauchern geschädigt“, z. B. durch das Aufspielen von Schummel-Software bei bestimmten Dieselfahrzeugen, ist das gerichtlich festgestellt und auch die Tatsache, dass das Unternehmen deswegen an Betroffene Schadensersatz leisten muss. Darüber muss dann in möglichen Einzelverfahren auf Zahlung von Schadensersatz nicht noch einmal Beweis erhoben werden. Diese Punkte wurden dann schon rechtsverbindlich festgestellt.

Über mehr wird allerdings in einem Musterfeststellungsklage-Verfahren nicht entschieden! Das Gericht verurteilt das Unternehmen nicht zur Zahlung von Schadensersatz oder spricht den beteiligten Betroffenen konkrete Schadensersatzansprüche zu. Jeder Beteiligte an einer Musterfeststellungsklage müsste nach einem positiven Urteil im Musterfeststellungsklage-Verfahren grundsätzlich selbst Klage auf Zahlung von Schadensersatz erheben. Damit ist das Urteil in einem Musterfeststellungsklage-Verfahren grundsätzlich „nur“ die Basis für Einzelklagen der einzelnen Beteiligten auf Zahlung von Schadensersatz gegen das schädigende Unternehmen.

Statt Urteil: Vergleich

Zu einem Vergleich im Musterfeststellungsklage-Verfahren kommt es vor allem dann, wenn das beklagte Unternehmen im Verfahren feststellt, dass die Chancen schlecht stehen, zu gewinnen.

Für die am Verfahren beteiligten Verbraucher ist ein Vergleich in der Regel eine gute Lösung: Denn endet das Verfahren mit einem Vergleich, muss nicht jeder Beteiligte individuell Schadensersatz einklagen! Im Vergleich einigt sich der klagende Verband in der Regel mit dem beklagten Unternehmen auf die Zahlung bestimmter Schadensersatzbeträge direkt  an die Beteiligten des Musterfeststellungsklage-Verfahrens, also die betroffenen Verbraucher (z. B. Diesel-Fahrer). So ist ein eigenes Klageverfahren für die betroffenen Beteiligten nicht mehr notwendig, Betroffene erhalten im Rahmen des Vergleichs direkt Schadensersatzzahlungen. 

Info! Wer sich nicht an einer Musterfeststellungsklage beteiligt oder beteiligen kann, der profitiert von einem Vergleich – wenn überhaupt – nur indirekt!

Ein Vergleich im Musterfeststellungsklage-Verfahren ist nur möglich, wenn das Gericht den Vergleich für angemessen hält, die Verbraucher mit dem Vergleich also nicht „über den Tisch gezogen“ werden. 

Ist das Gericht grundsätzlich mit dem geplanten Vergleich einverstanden, entscheiden die beteiligten Verbraucher, ob sie den Vergleich akzeptieren. Nur wenn jedenfalls 70 Prozent der Beteiligten mit dem Vergleich einverstanden sind, kommt er zustande. Darüber informiert das Gericht dann alle beteiligten Verbraucher unmittelbar. Wer mit dem Vergleichsvorschlag nicht einverstanden war, für den entfaltet ein Vergleich keine Wirkung. Das Musterfeststellungsklage-Verfahren ist dann allerdings auch für diese Beteiligten beendet – jeder dieser Beteiligten ist dann wieder in der Lage, auf eigene Faust Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. 

Sind mehr als 30 Prozent der Beteiligten nicht mit dem Vergleich einverstanden, muss neu verhandelt werden bzw. es kommt zu einem Urteil.

Feststellungsurteil: ein zahnloser Tiger?

Wofür ist die Musterfeststellungsklage aber dann gut, wenn es nicht zu einem Vergleich kommt, indem den beteiligten Betroffenen direkt Schadensersatz zugesprochen wird? Denn mit einem Feststellungsurteil haben die Beteiligten ja noch lange keinen bezifferten Anspruch gegen das Unternehmen in der Hand.

Auch wenn es zunächst nicht so scheint, hat auch ein Feststellungsurteil tatsächlich Vorteile:  

Ein Feststellungsurteil hat Bindungswirkung in Einzelverfahren

Klagt man als Beteiligter einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage seinen Schadensersatzanspruch in einem Einzelverfahren ein, z. B. gegen den Autohersteller, ist der Erfolg der Klage sehr sicher. Denn das Feststellungsurteil einer Musterfeststellungsklage hat für Gerichte deutschlandweit Bindungswirkung. So kann man als Betroffener sicher sein, dass man in einem Einzelverfahren erfolgreich sein wird und z. B. Schadenersatz zugesprochen bekommt, wenn die Musterfeststellungsklage erfolgreich war. Über die Höhe des Schadensersatzes wird dann im konkreten Einzelfall vom Gericht entschieden. Die Musterfeststellungsklage gibt also jedem Beteiligten eines Musterfeststellungsklage-Verfahrens Rechtssicherheit für ein eigenes Schadensersatzverfahren, die man andernfalls nicht hätte – und das ohne zusätzliche Kosten.

Info! Ist man von dem Fall, der Gegenstand der Musterfeststellungsklage war, betroffen, hatte sich aber an dem Verfahren nicht beteiligt, ist das Urteil für ein eigenes Einzelverfahren nicht bindend. Das Gericht wird das Ergebnis eines passenden Musterfeststellungsklage-Verfahrens aber sicherlich berücksichtigen – sicherlich auch in Fällen, in denen Unternehmer geschädigt wurden, die sich nicht an einem Musterfeststellungsklage-Verfahren beteiligen können.

Außerdem wird sich zeigen müssen, ob man als Beteiligter an einem erfolgreichen Musterfeststellungsklage-Verfahren später überhaupt eigenständig Schadensersatz einklagen muss: Unternehmen, die in einem Musterfeststellungsklage-Verfahren verloren haben, werden den Beteiligten wohl häufig außergerichtlich die Zahlung von Schadensersatz anbieten.

Warum? Klagt jeder Beteiligte einzeln und gewinnen alle Beteiligten am Musterfeststellungsklage-Verfahren ihre Einzelprozesse, würde das beim Unternehmen enorme zusätzliche (Gerichts-)Kosten verursachen. Das werden Unternehmen, die eine Musterfeststellungsklage verloren haben, vermeiden wollen …

Die Musterfeststellungsklage hemmt Verjährung von Schadensersatzansprüchen

Beteiligt man sich an einer Musterfeststellungsklage, hemmt (= unterbricht!) das in jedem einzelnen Fall die Verjährung der jeweiligen Schadensersatzansprüche. Das bedeutet: Jeder Beteiligte hat mehr Zeit, seinen möglichen Anspruch auf Schadensersatz selbst in einem Einzelverfahren gerichtlich geltend zu machen und kann in Ruhe den Ausgang des Musterfeststellungsklage-Verfahrens abwarten.  

Beispiel: Für Betroffene im VW-Dieselskandal ist deswegen die Einführung der Musterfeststellungsklage noch 2018 ein großer Schritt, da in vielen Fällen Ende des Jahres 2018 die Verjährung der Ansprüche aus dem Dieselskandal droht! Hier unterbricht eine Musterfeststellungsklage gegen VW gerade noch rechtzeitig die drohende Verjährung! 

Nach Ende des Musterfeststellungsklage-Verfahrens kann man dann in Ruhe entscheiden, ob man klagen will oder nicht: Ist die Musterfeststellungsklage erfolgreich, kann man selbst mit sehr guten Erfolgsaussichten Klage erheben. Ist die Musterfeststellungsklage nicht erfolgreich, kann man ein eigenes Klageverfahren zwar wohl durchführen oder fortsetzen, die Erfolgsaussichten dürften dann aber sehr gering sein.  

So beteiligt man sich an einer Musterfeststellungsklage

Wer der Meinung ist, als Verbraucher von einem Unternehmen in einem bestimmten Fall geschädigt worden zu sein (z. B. Abgasskandal), kann sich an einer Musterfeststellungsklage zu „seinem Fall“ beteiligen, also quasi „auf einen fahrenden Zug mit aufspringen“. 

Dafür muss man sich im Klageregister des Bundesamtes für Justiz anmelden. Diese Anmeldung ist allerdings nicht zeitlich unbegrenzt möglich: Sie muss bis Ende des letzten Tages vor dem ersten Gerichtstermin des konkreten Musterfeststellungsklage-Verfahrens erfolgen. Der letztmögliche Termin für die Anmeldung zu einem Musterfeststellungsklage-Verfahren wird auch im Klageregister bekannt gegeben. Die Anmeldung muss in Textform geschehen, ist damit aber auch unkompliziert z. B. per Mail oder über das Online-Formular möglich, das auf der Website des Bundesamtes für Justiz bereitgestellt ist. 

Bei der Anmeldung sind dann bestimmte Angaben zu machen: So muss man u. a. Name und Anschrift der Person, die sich beteiligen will, angeben und Angaben zum Musterfeststellungsklage-Verfahren machen, an dem man sich beteiligen will. 

Info! Diese Anmeldung zur Beteiligung an einer Musterfeststellungsklage kann man selbst vornehmen, einen Anwalt benötigt man dafür nicht.

Grundsätzlich ist es möglich, sich an mehreren Musterfeststellungsklage-Verfahren zu beteiligen, z. B. wenn man sich nicht sicher ist, zu welchem Verfahren der eigene Fall genau passt. Schaden kann das nicht. 

Nicht gut ist es hingegen, wenn man den Kreis zu eng zieht und sich ggfs. mit seinem Anspruch nur einem Verfahren anschließt, das für den eigenen Fall im schlechtesten Fall nicht greift. Passiert das, kann das für die eigenen Ansprüche auf Schadensatz schlecht ausgehen. Denn meldet man seine (berechtigten) Ansprüche im falschen Musterfeststellungsklage-Verfahren an, hemmt diese Anmeldung nicht die Verjährung der eigenen Ansprüche! Lehnt man sich dann im guten Glauben zurück, dass man den Ausgang des Verfahrens in Ruhe abwarten kann, können eigene Ansprüche währenddessen verjähren! Ist Verjährung einmal eingetreten, kann man seinen Anspruch auf Schadensersatz gegen das Unternehmen nicht mehr durchsetzen, auch wenn man eigentlich einen Anspruch hat.

Info! Auf der Website des Bundesamtes für Justiz finden sich Angaben dazu, an welchen Musterfeststellungsklage-Verfahren man sich gerade ggfs. beteiligen kann.

Deswegen macht es durchaus Sinn, sich im Vorfeld der Anmeldung zu einem Musterfeststellungsklage-Verfahren anwaltlich beraten zu lassen, vor allem, wenn es um viel Geld geht. Hier sollte es dann darum gehen, ob ein Anspruch überhaupt möglich ist, wer ihn anmelden muss und welchem Musterfeststellungsklage-Verfahren der Anspruch zuzuordnen ist.

Kosten für die Beteiligung an einer Musterfeststellungsklage: Keine!

Die Musterfeststellungsklage soll es Verbrauchern effektiv ermöglichen, Rechte gegenüber finanzkräftigen Unternehmen und Konzernen durchzusetzen – unabhängig von der eigenen Finanzkraft. Die Musterfeststellungsklage ist damit eine echte Regelung des Verbraucherschutzes.  

Deshalb ist es nur konsequent, dass bei einer Beteiligung an diesem „Eine-für-alle“-Verfahren grundsätzlich keine Kosten für die beteiligten Verbraucher entstehen: anwaltliche Vertretung ist nicht verpflichtend, eine Anmeldung kostenfrei möglich. Da die Beteiligten am Musterfeststellungsklage-Verfahren nicht Partei des Rechtsstreites sind, entstehen für die beteiligten Verbraucher auch keine Gerichtskosten. 

Info! Kosten in Form von Gerichtskosten und Anwaltskosten entstehen nur den klagenden Verbänden. Diese Kosten werden aber nicht auf die Beteiligten abgewälzt oder umgelegt.

Einzig eine anwaltliche Beratung im Vorfeld einer Anmeldung zu einem Musterfeststellungsklage-Verfahren kann Kosten verursachen. Da eine anwaltliche Beratung aber nicht vorgeschrieben ist, hat der Verbraucher auch hier in der Hand, ob er diese Kosten auf sich nehmen will oder nicht. 

Hinzu kommt: Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten einer solchen anwaltlichen Beratung im Vorfeld einer Musterfeststellungsklage, wenn anwaltliche Beratung im konkreten Fall in einem individuellen Klageverfahren von der Rechtsschutzversicherung abgedeckt wäre.  

Info! Es lohnt sich, mit seiner Rechtsschutzversicherung die Übernahme von Kosten frühzeitig zu klären! Denn übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Kosten für anwaltliche Beratung im Vorfeld einer Anmeldung zur Musterfeststellungsklage, sollte man sie unbedingt in Anspruch nehmen.

Musterfeststellungsklage oder Einzelklage wählen?

Die Musterfeststellungsklage ist ein guter Schritt zur Stärkung des Verbraucherschutzes. Aber es stellt sich doch die Frage: Ist sie im Falle von Massenschäden wirklich immer und für jeden Geschädigten der richtige Weg? Oder gibt es Fälle, in denen eine Musterfeststellungsklage zwar möglich, eine Einzelklage aber ggfs. die bessere Lösung ist? 

Dazu einige Fakten:

1. Die Existenz eines Musterfeststellungsklage-Verfahrens für die eigene Fallkonstellation nimmt niemandem die Möglichkeit, alleine mit einer Einzelklage gegen ein Unternehmen vorzugehen, also das Unternehmen z. B. auf Schadensersatz zu verklagen. Man kann sich also grundsätzlich frei entscheiden, welchen Weg man gehen will.

2. Hat man die Wahl zwischen Einzelklage oder Musterfeststellungsklage, ist die Musterfeststellungsklage wegen des „NullKosten-Risikos“ für Verbraucher ohne Rechtsschutzversicherung der bessere Weg. Denn für die Beteiligung an der Musterfeststellungsklage entstehen keinerlei Kosten (s.o.).

3. Hat man als Betroffener – als Verbraucher oder Unternehmer! – eine passende Rechtsschutzversicherung, ist es immer sinnvoll, Einzelklage gegen das „schädigende“ Unternehmen zu erheben, wenn es um größere Beträge geht. Denn übernimmt die „Rechtsschutz“ die Kosten der Einzelklage, trägt man selbst kein Kostenrisiko! Außerdem kommt ein Einzelverfahren in der Regel deutlich schneller zum Abschluss. Und gewinnt man vor Gericht, hat man direkt z. B. Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz.

4. Achtung aber! Meldet man Schadensersatzansprüche für ein Musterfeststellungsklage-Verfahren an, kann man in der gleichen Sache nicht parallel gegen das Unternehmen eigenständig klagen. Erst wenn ein Urteil gefällt wurde oder man sich rechtzeitig vom Verfahren abmeldet, ist eine Einzelklage wieder möglich.

Deswegen sollte man erst die Möglichkeiten einer Einzelklage anwaltlich prüfen lassen – rechtlich und hinsichtlich der Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung – und im Zweifel zunächst Einzelklage erheben. Dann kann man immer noch darüber nachdenken, sich der Musterfeststellungsklage anzuschließen oder nicht. Denn:

Info! Die Abmeldung vom Musterfeststellungsklage-Verfahren ist bis zum Ende des Tages der ersten mündlichen Verhandlung des konkreten Musterfeststellungsklage-Verfahrens möglich. Danach gilt grundsätzlich: mitgehangen, mitgefangen.

5. Hat man bereits Einzelklage erhoben, wenn es zu einer passenden Musterfeststellungsklage kommt, kann man sich dieser Musterfeststellungsklage anschließen und dafür das eigene Verfahren aussetzen, bis es im Musterfeststellungsklage-Verfahren zu einer Entscheidung kommt. Dann kann man das eigene Verfahren fortsetzen.

Hat man Einzelklage erhoben, schließt sich aber einem passenden Musterfeststellungsklage-Verfahren nicht an oder kann sich z. B. als Unternehmer nicht anschließen, ist der Ausgang eines solchen Verfahrens zwar nicht verbindlich für eine eigene Klage, das Gericht wird den Ausgang eines Musterfeststellungsklage-Verfahrens aber auch in einem solchen Fall sicherlich nicht ignorieren (können) und das Ergebnis des „Eine-für-alle“-Verfahrens bei der Urteilsfindung berücksichtigen. 

Fazit zur Musterfeststellungsklage

Die Musterfeststellungsklage ist eine sinnvolle Neuerung, vor allem für Verbraucher ohne Rechtsschutzversicherung und in Fällen, in denen es um eine sehr große Zahl von Klein- und Kleinstbeträgen geht. Denn sowohl das Kostenrisiko als auch die Tatsache, dass „es um nicht viel geht“, hält Verbraucher oft ab, alleine Klage gegen ein großes Unternehmen zu erheben. In diesen Fällen erfüllt die Musterfeststellungsklage ihren Zweck, Verbraucher zu schützen und Unternehmen bei rechtswidrigem Verhalten in die Schranken zu weisen.

Haben Verbraucher eine passende Rechtsschutzversicherung, ist eine normale Einzelklage wie bisher allerdings deutlich effizienter als eine Musterfeststellungsklage: Die Rechtsschutzversicherung trägt das Kostenrisiko – damit besteht hier kein Unterschied zur Musterfeststellungsklage mehr. Wer gewinnt hat sofort einen Schadensersatzanspruch in der Hand und unter dem Strich kommt man sehr viel schneller zu seinem Recht und damit auch zu seinem Geld.

Und insgesamt ist die Einzelklage deutlich individueller gestaltbar, z. B. wenn Sie im Dieselskandal nicht Schadensersatz verlangen, sondern das Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben wollen.